Es stellt sich heute nicht mehr die Frage, ob der Gesellschaft ein radikaler Wandel bevorsteht, sondern es geht nur um das Wie: by design or by disaster? (Wackernagel 2014).
Wenn wir den Wandel mitgestalten wollen, dann entscheiden wir uns für eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit. Sie ist Notwendigkeit und Chance zugleich:
… weil es um den Umgang mit Krisenszenarien geht, die ein friedliches Zusammenleben, schlimmstenfalls die menschliche und natürliche Existenz gefährden.
Nicht nur die Klimakrise oder der Schwund der Biodiversität sind Teil der heutigen »Multiplen Krise« (Ulrich Brand 2009), sondern auch die Finanzkrise, die Krise der Demokratie, die sozialen Polarisierungen und die militärische Aufrüstung.
Historisch gehören eine ausgeprägte soziale Ungleichheit (in der Verteilung von Macht, Reichtum…) sowie das Festhalten an ideologischen Denkmustern zu den wesentlichen Ursachen des gesellschaftlichen Kollapses (Diamond 2006; Motesharrei/Rivas et al. 2014).
Die kulturelle Vielfalt ist hingegen für die Resilienz einer Gesellschaft genauso wichtig, wie es die Biodiversität für die Ökosysteme ist (UNESCO 2001). Kulturelle Vielfalt meint unter anderem Freiraum für Alternativen. Eine »plurale Ökonomik« ist nachhaltiger als eine »neoliberale Monokultur«.
… weil es um die Frage nach dem guten Leben geht (Nida-Rümelin 2001). Die Gleichsetzung von Wohlstand und Wirtschaftswachstum ist falsch: Was wir »Wirtschaftswachstum« nennen, basiert im Wesentlichen auf der Externalisierung von Kosten (Lessenich 2017), die in der Gesamtrechnung nicht erscheinen.
Statt Wachstum steht ein Gleichgewicht mit der äußeren und inneren Natur im Mittelpunkt des guten Lebens. Es meint mehr Kooperation und Solidarität anstelle von Wettbewerb und Statusorientierung. Es kann kein gutes Leben auf Kosten anderer geben, künftiger Generationen inbegriffen. Kein gutes Leben kann fremdbestimmt sein, deshalb meint Nachhaltigkeit eher Emanzipation als Verzicht.
Einerseits will das gute Leben ständig ausgehandelt werden, denn schon in einer Nachbarschaft gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon. Andererseits muss das gute Leben nicht unbedingt neu erfunden werden: Wir können auch von anderen (Sub-)Kulturen lernen. So ist das »Buen Vivir« (Gutes Leben) die Art und Weise, wie manche indigenen Völker seit Jahrhunderten in Lateinamerika leben (Acosta 2016).
Innerhalb unserer Gesellschaft wird das gute Leben in Nischen bereits erprobt und gelebt, zum Beispiel in Urban Gardening-Projekten, durch regionale Wirtschaftskreisläufe oder in menschen- statt autogerechten Städten (Gehl 2015).
Bei einer Transformation hin zur Nachhaltigkeit ist der Weg mindestens genauso wichtig wie das Ziel.
Eine einseitige, zentralistische Steuerung der Gesellschaft von oben nach unten ist Teil des Problems. Die Transformation zur Nachhaltigkeit kann vor der eigenen Haustür beginnen und aus dem Lokalen heraus vorangetrieben werden. Jede Straße, jedes Viertel, eine ganze Hochschule oder eine ganze Gemeinde kann zum Gemeingut werden, das von den jeweiligen »Nutzer*innen« (Bewohner*innen, Arbeiter*innen, Student*innen…) gemeinsam umgestaltet und stärker selbstverwaltet wird, im Sinne des guten Lebens.
Die Transformation zur Nachhaltigkeit setzt die Umgestaltung sozialer Beziehungen und ein anderes Verhältnis zwischen Institutionen und Bürger*innen voraus. Wie kann man aber die verschiedenen Akteure dazu bringen, miteinander zu kooperieren statt zu konkurrieren? Wie können public-citizen-partnerships anstelle von public-private-partnerships etabliert werden?
Zur Transformation gibt es keinen Königsweg, auch weil Individuen, Organisationen oder Städte eine Eigenart und einen Eigensinn haben (vgl. WBGU 2016). Die Transformation sollte deshalb als Lernprozess verstanden und gestaltet werden. Dazu können Reallabore und »Spielwiesen« wie der »Tag des guten Lebens« in Köln und Berlin dienen.
Die Menschen tun nicht unbedingt, was sie wissen (Leggewie/Welzer 2009).
In einer öffentlichen Verwaltung bleiben alternative Handlungsoptionen ungenutzt, wenn man an gewohnten Glaubenssätzen und Hierarchien festhält. Soziale Akteure können schwer miteinander teilen, wenn sie zum Wettbewerb und Eigennutzen erzogen worden sind. Gesellschaftliche Krisen haben auch kulturelle Ursachen, ihre Überwindung setzt deshalb einen Kulturwandel voraus. So zeichnen sich »Kulturen der Nachhaltigkeit« durch ein »vernetztes Denken« (Vester 2002) statt Separationsdenken aus.