Mein Ansatz

Nachhaltigkeit: ein Dachbegriff für bessere Alternativen 

Die Frage, ob unserer Gesellschaft ein radikaler Wandel bevorsteht, stellt sich heute nicht mehr – wir sind bereits mittendrin. Es geht nur noch um das Wie: by disaster or by co-design?

Wenn wir den Wandel mitgestalten wollen, dann entscheiden wir uns für Nachhaltigkeit. Sie ist Notwendigkeit und Chance zugleich:

    • Eine Notwendigkeit, weil es um den Umgang mit Krisenszenarien geht, die ein friedliches Zusammenleben – im schlimmsten Fall sogar die menschliche und natürliche Existenz – bedrohen. In diesem Fall ist Nachhaltigkeit ein Synonym für Krisenresilienz. Es geht um die Frage, wie soziale Systeme – Städte und Quartiere ebenso wie Unternehmen und Kultureinrichtungen – widerstandsfähiger werden können.
    • Eine Chance, weil es um die Frage nach einem guten Leben geht, das nicht auf Kosten anderer geht – künftige Generationen und die Natur eingeschlossen.
Zwei Faktoren sind für beides – Krisenresilienz und gutes Leben – zentral: soziale Kohäsion und Vielfalt.
 
 

Transformation: der Weg ist das Ziel

Bei einer Transformation hin zur Nachhaltigkeit ist der Weg mindestens genauso wichtig wie das Ziel.

Eine einseitige, zentralistische Steuerung der Gesellschaft von oben nach unten ist Teil des Problems. Die Transformation zur Nachhaltigkeit kann vor der eigenen Haustür beginnen und aus dem Lokalen heraus vorangetrieben werden. Jede Straße, jedes Viertel, eine ganze Hochschule oder eine ganze Gemeinde kann zum Gemeingut werden, das von den jeweiligen »Nutzer*innen« (Bewohner*innen, Arbeiter*innen, Student*innen…) gemeinsam umgestaltet und stärker selbstverwaltet wird, im Sinne des guten Lebens.

Die Transformation zur Nachhaltigkeit setzt die Umgestaltung sozialer Beziehungen und ein anderes Verhältnis zwischen Institutionen und Bürger*innen voraus. Wie kann man aber die verschiedenen Akteure dazu bringen, miteinander zu kooperieren statt zu konkurrieren? Wie können public-citizen-partnerships anstelle von public-private-partnerships etabliert werden? 

Zur Transformation gibt es keinen Königsweg, auch weil Individuen, Organisationen oder Städte eine Eigenart und einen Eigensinn haben (vgl. WBGU 2016). Die Transformation sollte deshalb als Lernprozess verstanden und gestaltet werden. Dazu können Reallabore und »Spielwiesen« wie der »Tag des guten Lebens« in Köln und Berlin dienen.

Drei wichtige Erkenntnisse: 
  • Für eine Transformation zur Nachhaltigkeit ist das »Sozialkapital« noch wichtiger als das »ökonomische Kapital«. Vertrauen und Misstrauen sowie Gruppendynamiken spielen in Transformationsprozessen eine zentrale Rolle. »Sozialkapital« braucht Begegnungsräume, »nachbarschaftliche Wohnzimmer« sowie öffentliche Räume als Aufenthaltsräume.
  • Die Transformation sollte dem menschlichen Maß entsprechen. Menschen identifizieren sich mehr mit dem Lokalem als mit dem Globalen; mehr mit dem Selbstgemachten als mit dem Vorgegebenen. 
  • Transformation heißt mehr statt weniger Demokratie. Es kann jedoch keine echte Demokratie ohne Augenhöhe zwischen den Akteuren geben. Da wo es soziale Ungleichheiten gibt, benötigt die Partizipation und die Kooperation deshalb einen sozialen Ausgleich.

 


Die kulturelle Dimension

Die Menschen tun nicht unbedingt, was sie wissen (Leggewie/Welzer 2009). In einer öffentlichen Verwaltung bleiben alternative Handlungsoptionen ungenutzt, wenn man an gewohnten Glaubenssätzen und Hierarchien festhält. Soziale Akteure können schwer miteinander teilen, wenn sie zum Wettbewerb und Eigennutzen erzogen worden sind. Gesellschaftliche Krisen haben auch kulturelle Ursachen, ihre Überwindung setzt deshalb einen Kulturwandel voraus. So zeichnen sich »Kulturen der Nachhaltigkeit« durch ein »vernetztes Denken« (Vester 2002) statt Separationsdenken aus. 

Drei wichtige Erkenntnisse:
  • Lernprozesse finden nicht statt, wenn man in der Komfortzone bzw. »unter sich« bleibt. Sie erfordern immer eine Auseinandersetzung mit dem Fremden. Auch im Perspektivwechsel liegt eine starke Antriebskraft für die Transformation. Dazu können zum Beispiel die Künste dienen.
  • Für einen Dialog in der Vielfalt braucht es Übersetzer*innen, Brückenbauer*innen und Moderator*innen.
  • Das Medium selbst ist die Botschaft. So kann eine hierarchische Organisation (z. B. öffentliche Verwaltung) keine starke Partizipation glaubwürdig gestalten. Jede Botschaft will ein Stück weit vorgelebt werden, um andere Menschen anzustecken. Die Kommunikation ist vor allem dann überzeugend, wenn die verbale Botschaft mit der nonverbalen (Habitus, Verhalten…) im Einklang ist. 

 


Literatur

  • Acosta, Alberto (2016): Buen vivir. Vom Recht auf ein gutes Leben. München: oekom.
  • Brocchi, Davide (2019a): Große Transformation im Quartier. Wie aus gelebter Demokratie Nachhaltigkeit wird. München: oekom.
  • Gehl, Jan (2015): Städte für Menschen. Berlin: jovis.
  • Leggewie, Claus; Welzer, Harald (2009): Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Frankfurt/Main: Fischer.
  • UNESCO (2001): Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt. Paris: UNESCO.
  • WBGU (2016): Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte. Berlin: WBGU.

Zur Inspiration

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