»New Mobility – mit dem Deutschlandticket zur Verkehrswende?« Zu dieser Frage hat Andreas Krämer kürzlich ein Buch veröffentlicht. Darin ist auch ein Beitrag von mir zur Soziologie des Deutschlandtickets enthalten. Hier folgt die Einführung…
Soziologie ist die Wissenschaft der Gesellschaft. Weil politische Fragen in einem gesellschaftlichen Kontext beantwortet werden und sich auf die Gesellschaft auswirken, haben sie soziologische Relevanz. Dies gilt auch für die Verkehrspolitik und das Deutschlandticket. Darin spielen unter anderem Herrschaftsverhältnisse eine zentrale Rolle: Wer macht Verkehrspolitik für wen? Eine Gesellschaft besteht jedoch nicht nur aus Menschen und Institutionen, sondern auch aus »Dingen« (Latour 2010). So sind Verkehrsinfrastrukturen keine passiven Objekte, sondern erziehen die Menschen mit, denn – so drückte es Winston Churchill einmal aus – »erst gestalten wir unsere Gebäude und dann gestalten sie uns«. Eine autogerechte Stadt fördert ein autogerechtes Verhalten bei ihren Nutzern und erschwert gleichzeitig die Alternativen dazu. Aus diesem Grund führt der zusätzliche Ausbau von Straßen und Autobahnen zu noch mehr Autoverkehr und nicht unbedingt zu weniger Staus. Doch die »Dinge«, die unser Zusammenleben prägen und unser Verhalten lenken, sind nicht nur künstliche Infrastrukturen, sondern auch ökologische. Dies zeigte sich unter anderem in der Coronakrise, als winzige Viren die Weltwirtschaft lahmlegten. Vor allem durch den Klimawandel macht sich heute die Wirkmacht der Umwelt immer stärker bemerkbar. Selbst der Bundesnachrichtendienst (BND) stuft inzwischen die Erderhitzung als große Gefahr für die nationale Sicherheit ein (Metis et al. 2024). In diesem Framing wird das Klima als Risiko dargestellt. Tatsächlich liegen die Ursachen der heutigen »Polykrise« (Homer-Dixon et al. 2021) im Inneren unserer Gesellschaft und nicht in der Umwelt »da draußen«. Wer die Umweltkrise überwinden will, muss also eine »Große Transformation« innerhalb der Gesellschaft wagen (WBGU 2011; IPCC 2018). Ein wesentlicher Aspekt dieser Transformation ist die Verkehrswende. Darin fördert das Deutschlandticket eine Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr hin zu Bus, Bahn und Schiene. Der nächste Abschnitt in diesem Gastbeitrag behandelt die Debatte über das Deutschlandticket im Spannungsfeld zwischen zwei großen Transformationen: der kapitalistischindustriellen und der nachhaltigen. In einem weiteren Abschnitt wird gezeigt, warum die Verkehrspolitik eine Frage des Zusammenlebens ist.
© Dr. Davide Brocchi, 4.10.2025 – Der vollständige Text befindet sich auf den Seiten 330-336 des Buches.
Zum Buch
Andreas Krämer (2025): New Mobility – mit dem Deutschlandticket zur Verkehrswende? Umsetzung, Wirkungen und Herausforderungen für den ÖPNV in Deutschland. Wiesbaden: SpringerGabler.